Erstellt am: 25. Nov 2018 von Maren
Kategorie(n): Atmosphäre | Blog
Eine Predigt von Maren zu Markus 10, 35-45
Wenn wir überlegen, wie so ein EXODUS-Gottesdienst aussehen kann,
denken wir auch immer darüber nach, was die Menschen – was ihr – so mitbringen werdet.
An Dingen, die ihr erlebt habt in den letzten Wochen. Geschichten aus Urlauben, Freude über neugeborene Kinder, Trauer über Menschen, die gegangen sind. Sorgen über kranke Kinder, Fragen, die euch beschäftigen, oder der Kuchen im Bauch, Kastanien in der Tasche und die schönen Dinge, auf die ihr euch in der nächsten Woche freut. All das ist mit euch da, all die kleinen und großen Sachen.
Ich will ehrlich sein, mich beschäftigte in letzter Zeit vor allem eins und das ist kein ganz einfaches Thema. Es geht um die Studie der deutschen Bistümer zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche. Ich weiß auch, dass das jetzt nicht das schönste aller Themen für einen Gottesdienst ist, aber ich finde, es passt ziemlich gut zum heutigen Evangelium. Die Studie hat herausgefunden, dass in den letzten 75 Jahren 3677 Menschen von Geistlichen in den deutschen Bistümern sexuell missbraucht worden sind. Und das sind nur die Fälle, die in irgendeiner Form aktenkundig geworden sind. Das alleine ist schlimm genug. Was mich persönlich darüber hinaus fast noch viel mehr beschäftigt ist der Umgang der einzelnen Bistümer und ihrer Bischöfe mit diesen Zahlen und den möglichen Konsequenzen. Es gab die üblichen Betroffenheitsbekundungen, viel Scham und Bedauern. Es werden Konsequenzen angekündigt, ohne dass jemand weiß, wie diese aussehen werden. Es wird der Klerikalismus verdammt, aber an der grundsätzlichen Hierarchie soll nicht gerüttelt werden. Ich gebe zu, ich habe auch keine Lösung, wie es gehen kann. Ich hätte Ideen, einige besser als andere.
Wenn ich mich mit dieser Studie und dem Umgang damit beschäftigte – in unserem Bistum und darüber hinaus – taucht unweigerlich die Frage auf: wie kannst du denn überhaupt noch katholisch sein?! In diesem System, das Machtmissbrauch so ermöglicht und in dem vor allem alte Männer den Ton angeben. Niemand hat mir diese Frage bisher gestellt. Aber ich selbst stelle sie mir in den letzten 4 Wochen relativ häufig.
Das Evangelium von heute. Es geht um Herrscher, die Völker unterdrücken und Mächtige, die ihre Macht missbrauchen. Nichts anderes passiert bei sexuellem Missbrauch. Es geht immer um Macht und darum, sich größer zu machen als die anderen.
Im Kleinen passiert uns das vermutlich allen mal. Mir auf jeden Fall. Es gibt Situationen, in denen ich vor allem meinen Willen durchsetzen will, damit es für mich am besten wird. Es geht dann um das, was ich will und um die Wirkung, die ich erzielen will. Und das, worum es geht, dient vor allem mir persönlich. Ich glaube, das ist ganz menschlich.
Und dann ist da Jesus, der sagt, dass das so gar nicht funktioniert mit dem groß werden. Er sagt vielmehr, dass wir einander dienen sollen, um groß zu sein. Ich soll also erst mal für andere etwas tun. Und vielleicht ist es auch gar nicht das vorrangige Ziel, groß zu werden. Das, was wirklich wichtig ist und sein sollte, sind die anderen, für die ich etwas tun kann. Hui.
Ganz ehrlich: ich weiß nicht genau, wie das gehen soll.
Ich saß mal in einem Uni-Seminar und als die Person neben mir erfahren hat, dass ich bei der katholischen Kirche arbeite, meinte sie: Wie kannst du denn bei den Katholiken arbeiten? Du bist doch so ein fröhlicher Mensch!
Und ich dachte: na ja. Vielleicht genau deswegen. Vielleicht genau deswegen, um Dinge anders zu machen. Um Bilder zu verändern. Um Menschen mit Fröhlichkeit anzustecken und ihnen dadurch etwas Gutes zu tun. Und genau genommen ist es eigentlich völlig egal, ob ich das katholisch tue oder evangelisch oder orthodox oder wie auch immer. Gott sei dank.
Das macht die Fragen an meine Kirche natürlich nicht kleiner. Aber mit solchen Erlebnissen ich bekomme eine kleine Ahnung davon, was wirklich wichtig ist und worum es eigentlich geht. Es zeigt mir auch, dass ich nicht zum Aushalten gezwungen bin, sondern weiter Fragen stellen kann und muss. Dass ich auch manchmal unbequem sein muss, aber dabei vor allem die Menschen im Blick habe, die links und rechts und gegenüber und hinter mir sind – und nicht nur mich selbst. Ich weiß auch nicht genau, wie es geht mit dem Dienen. Ich glaube aber, dass Gott uns immer wieder herausfordert, es auszuprobieren.
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